Oh, wie hatten sie doch den ganzen Tag über geschuftet und gewerkelt, der Herbergswirt und seine tüchtige Frau aus Bethlehem, denen ein Engel prophezeit hatte, in ihrem Stall werde bald der Messias geboren werden. Als erstes haben sie schon mal den alten Ochsen aus dem Stall entfernt, weil seine sehr leibhafte Gegenwart doch sicher eine Zumutung für einen Messias wäre. Dann musste ausgemistet werden. Und was da nicht alles zutage kam! Mist der letzten Jahre. Frischer Mist. Eingetrockneter Mist. Mist, der Teil des Stallbodens geworden war. Und dann erst der viele Staub, die Hinterlassenschaften der verschiedenen Stallbewohner aus den letzten Jahren und ein Geruch, der erst am späten Nachmittag erträglich wurde. Als die Sonne untergegangen war, standen der Herbergswirt und seine Frau stolz vor ihrem Stall. Jetzt konnte dort der Messias geboren werden. Sorgsam verriegelten sie das Gebäude und gingen schlafen.
Als beide am nächsten Tag die Stalltür öffneten, hätte sie bald der Schlag getroffen. Eine beißende Duftnote begrüßte sie und als sich ihre Augen an die Düsterkeit gewohnt hatten, sahen sie ein Chaos, das noch schlimmer aussah als gestern. Nach einem Tag weiterer mühevoller Arbeit wird der Stall verriegelt. Doch am nächsten Morgen herrschte dort wieder pures Chaos.
Endlich kam der Tag, den der Engel den beiden prophezeit hatte. Doch wieder standen sie trotz aller Mühe vor einem entsetzlichen Durcheinander. War es der Wirt oder doch etwa seine Frau, jedenfalls schallte es plötzlich „Der Ochse!“ durch den Stall. Den Ochsen, ja, den hatten sie doch vor ein paar Tagen in einen Verschlag gesperrt. Als er wieder an seinem angestammten Platz im Stall stand und genüsslich das Heu aus der Futterkrippe verschlang, da erschien ein armseliges Paar an der Stalltür mit Namen Maria und Josef, die um eine Unterkunft baten….
Weihnachten ist weniger ein perfektes MACHEN, sondern vielmehr ein SEHEN, WAHRNEHMEN und WERT-SCHÄTZEN in einem anderen, einem besonderen, in einem neuen Licht.
Andreas Kindermann (nach einer Idee meines Sohnes Benjamin)
Nächstenliebe
Es gibt Wörter, die zergehen einem förmlich auf der Zunge wie ein Marzipanplätzchen.
Und es gibt Wörter, die sind eher unverträglich.
Das Wort NÄCHSTENLIEBE ist vielleicht so eines.
Wäre es nicht für alle bekömmlicher, man würde das Wort NÄCHSTEN in NÄCHSTENLIEBE umändern in
MENSCHEN-DIE-MIR-ZU-GESICHT-STEHEN-LIEBE oder
MENSCHEN-DIE-IMMER-NOCH-ICH-MIR-AUSSUCHEN-WILL-LIEBE
Oder vielleicht MENSCHEN-BEI-DENEN-HILFE-MIR-NICHT-GROSS-WEHTUT-LIEBE alternativ zu
MENSCHEN-BEI-DENEN-ES-MIR-NICHT-VIEL-ABVERLANGT-DASS-ICH-SIE-LIEBE-LIEBE?
Stattdessen aber Menschen in meiner allernächsten Nähe zu lieben,
die ich mir nicht mal ausgesucht habe,
Menschen, die halt einfach so da sind,
Menschen, die mir oft auf die Nerven gehen und anstrengend sind,
Menschen, die so sind wie sie sind und nicht so wie ich sie gerne hätte,
Menschen, die es mir so schwermachen, mich vor mir selber gut zu fühlen,
das ist schon schwer genug.
Aber solche Menschen zu lieben. Sogar noch wie mich selbst. Weil sie so sind wie ich?!
Das geht oft schwer runter. Unverträglich.
Wenn nur der Nächste manchmal nicht gar so nah wäre!
Bistum Passau
Andreas Kindermann
Mitarbeiterseelsorger in der Caritas
Fast ein Weihnachtsmärchen