Am ersten Advent 2019 begann der Synodale Weg, der Zukunftsprozess der katholischen Kirche in Deutschland. Und nur wenige Tage später bekam ich die Nachricht: Ich darf dabei sein! Ausgewählt nach einem Bewerbungsprozess vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und ernannt vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), freu(t)e ich mich sehr darüber, aktiv in diesem Prozess mitwirken zu können. Nach der ersten Synodalversammlung im Januar/Februar 2020 beschloss ich, dass ich möglichst vielen Menschen vom Synodalen Weg erzählen möchte, da der Synodale Weg alle Gläubigen und an der Kirche interessierten Menschen betrifft. Ich bin fest davon überzeugt, dass die katholische Kirche in Deutschland die derzeitige massive Krise nur in einem Prozess echter Partizipation überwinden kann und indem sie sich nicht von enggeführten Traditionslinien einschränken und zurückhalten lässt.
Mitte Oktober dieses Jahres durfte ich bei der Herbstvollversammlung des Frauenforums in der Diözese Augsburg einen Vortrag zum Synodalen Weg halten. Ich hatte bis dahin sehr wenig von der Arbeit dieses Forums mitbekommen, wusste lediglich, dass die Jugendverbände dort von der Geistlichen Begleiterin des BDKJ Augsburg vertreten werden. Am Nachmittag dieses Oktobertages saß ich also im Pfarrheim von Lechhausen, mir gegenüber etwa 20 Frauen im Alter von knapp 20 bis über 80 Jahre. Da für das Thema Synodaler Weg insgesamt zwei Stunden angesetzt waren, initiierte ich eine kleine Vorstellungsrunde, um zu erfahren, wem ich gleich von dem Reformprozess und meinen Erfahrungen erzählen würde. Im Nachhinein war diese fast dreiviertelstündige Vorstellungsrunde und die daran anschließende Diskussion eine der bereicherndsten Erfahrungen, die ich im Rahmen des Synodalen Weges bislang machen durfte.
Die Frauen erzählten, welche Reformerfahrungen sie in und mit der katholischen Kirche bislang gemacht hatten. Sie erzählten vom Mitfiebern beim Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren, vom Miterleben der Würzburger Synode in den 1970er Jahren, von ihren Erfahrungen als „Synodenfrauen“ bei der Augsburger Diözesansynode Anfang der 1990er Jahre, von der Gründung des Frauenforums als Plattform für engagierte Frauen in der Diözese und vom ständigen Wach- und Hochhalten der Anliegen der Frauen in der katholischen Kirche. Sie erzählten von euphorischen Momenten, vom Gefühl, Anliegen endlich platziert zu haben, von ihrem leidenschaftlichen Einsatz für Gleichberechtigung und dem damit verbundenen Kraftaufwand. Und sie erzählten von ihrer Frustration, von dem Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen, eher rückwärts als vorwärts zu kommen im Ringen um die Rechte der Frauen in der Kirche und von ihrem Dennoch-da-sein und Trotzdem-da-bleiben. Ich erkannte mich in so vielem wieder.
Auch wenn ich weiß, dass die Forderung nach Gleichberechtigung aller Geschlechter in der katholischen Kirche ein Anliegen ist, das selbstverständlich sein müsste und dennoch nicht von allen geteilt wird und von einigen wenigen sogar aktiv bekämpft wird, werde ich mich weiter dafür einsetzen. Diese Zeit des Zuhörens tat mir gut, bestärkte mich und ermutigte mich. Ich fühle mich mit den starken und bewundernswerten Augsburger Frauen, die ich an diesem Oktobertag in Lechhausen kennen gelernt habe, verbunden und werde mich mit all meiner Kraft und vielen Weggefährt*innen dafür einsetzen, dass dieses Anliegen auch in der katholischen Kirche ernst genommen und endlich konsequent umgesetzt wird: Denn Gleichberechtigung ist keine Maximalforderung. Ich freue mich, mit und an den Herausforderungen des Synodalen Weges zu wachsen. Die Adventszeit lädt dazu ein, die Erlebnisse und Herausforderungen im vergangengen Kirchenjahr noch einmal Revue passieren zu lassen und gestärkt ins neue Jahr zu starten.
Viola Kohlberger
promoviert in der katholischen Theologie, ist Diözesanvorsitzende der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg Augsburg und Mitglied des Synodalen Wegs.