Mein Adventsmoment hat sich mitten im Sommer ereignet und der Anlass war eine Beerdigung, die ich halten durfte:
Der Bestatter meinte, es kommen keine Angehörigen und das sei sehr traurig. Ich könne das Sozialteam im Seniorenheim zum Leben des Verstorbenen befragen, wenn ich etwas Persönliches sagen möchte. Da habe der Verstorbene zuletzt gewohnt. Ich bekomme auch zeitnah die Daten per E-Mail zugeschickt.
Und da kam schon die Nachricht. Im Feld „Auftraggeber“ entdeckte ich dann doch einen Namen. Daneben stand in Klammern „Tochter“ und eine Rufnummer war auch dabei. Ich griff gleich zum Telefonhörer: „Das ist ja schon morgen!“, ging mir durch den Kopf. Freizeichen. Eine Stimme meldete sich. Ich eröffnete das Gespräch wie üblich mit einer Beileidsbekundung.
Die weibliche Stimme am anderen Ende unterbrach energisch: „Ich komme morgen bestimmt nicht, ich weiß nicht, warum Sie mich anrufen, hat Ihnen der Bestatter nichts gesagt?“
„Ich weiß nichts über Ihren Vater, würde aber gerne etwas Persönliches sagen“ - versuchte ich unser Gespräch aufrechtzuerhalten und dieser Versuch war nicht umsonst. Nach zehn Minuten wurde mir klar, wie verzwickt die Familiengeschichte von Vater und Tochter war. Die Erzählung meiner Gesprächspartnerin nahm mich sehr mit, schweigend ließ ich sie einfach erzählen: „Nichts davon kann ich für meine Rede verwenden. Oder doch?“ –
dachte ich immer wieder.
„Machen Sie es gut. Ich komme morgen nicht!“ der Satz, den ich zum Schluss hörte, begleitete mich in Gedanken noch den ganzen Abend.
Jetzt hatte ich zumindest ein gutes Gefühl, etwas getan zu haben. Und ich hatte ein Bild vom Verstorbenen vor meinem geistigen Auge: Ein Engel war er vermutlich nicht, aber wer ist das schon?
Natürlich werde ich nicht alles zur Sprache bringen, dachte ich, aber ich weiß, über wen ich da reden werde!
Es blieb noch die Frage, zu wem ich reden werde. Wahrscheinlich auf dem leeren Friedhof vor dem Grab, an dem nur der Bestatter stehen wird, obwohl: Es kommen doch zwei Mitarbeiterinnen aus dem Sozialteam. Und zwei Mitbewohner. Vielleicht.
Am nächsten Morgen stand ich viel zu früh vor dem Friedhofszaun. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Dann sah ich doch eine Person, eine schwarzgekleidete Frau stand am Eingangstor. Als ich an ihr vorbeiging, begrüßte ich sie mit einem „Hallo“ und hörte plötzlich eine mir bereits bekannte Stimme: „Haben wir nicht gestern miteinander telefoniert? Ich bin doch gekommen!“
Erzbistum Bamberg
Richard Cholewa
Pastoralreferent im Seelsorgebereich Auerbach-Pegnitz, Dekanatsreferent in den Dekanaten Erlangen und Fürth